Mayorkas - Der Latino in Bidens Kabinett – DW – 26.11.2020 (2024)

Wahrscheinlich wäre alles anders gekommen, wenn nicht 1959 die kubanische Revolution gesiegt hätte. Kurze Zeit nachdem Diktator Fulgencio Batista die Flucht in die Dominikanische Republik ergreift und Fidel Castro nach seinem Triumphzug keine Zeit verliert, die Landwirtschaft zu verstaatlichen und alle US-Vermögenswerte zu enteignen, wird in Havanna Alejandro Nicholas Mayorkas geboren.

Als sich Kuba kurze Zeit später an die Sowjetunion kettet, steht für die Familie fest: die Revolution muss ohne sie auskommen. Die jüdischen Eltern, der Vater Kubaner, die Mutter Rumänin, die in den 1940-er Jahren vor den Nationalsozialisten geflüchtet ist, fassen schnell den Entschluss, wie viele andere Kubaner auch, in die USA auszuwandern.

Alejandro Mayorkas kann mit einem Jahr gerade laufen, als er in Miami ankommt. 55 lange Jahre soll es dauern, bis er wieder kubanischen Boden betritt. Man hat wohl zwei Möglichkeiten, diese prägende Kindheitsgeschichte zu verarbeiten: Entweder man wird zum Kommunistenhasser wie Hunderttausende Exil-Kubaner. Oder man begreift diese Erfahrung als Verpflichtung, sich für die einzusetzen, die den gleichen Weg wie man selbst gehen wollen.

Architekt des Dreamer-Programms

Alejandro Mayorkas entscheidet sich für letzteres. Warum? Der 61-jährige zitiert mit ganz viel Pathos keinen geringeren als Robert F. Kennedy: "Unsere Einstellung zur Einwanderung spiegelt unser Vertrauen in das US-amerikanische Ideal wider. Und ich hoffe, wir werden dem gerecht."

Würde man in den USA eine Unterschriftenliste herumreichen, hätten mehr als 700.000 Menschen schon unterzeichnet, dass Mayorkas diesem Ideal gerecht geworden ist. Das ist die Anzahl der in den USA lebenden "Dreamer", die wegen des "Deferred Action for Childhood Arrivals-Program", kurz DACA, vor Abschiebung geschützt sind und in den USA zur Schule gehen, studieren oder arbeiten dürfen - obwohl sie als Kind ohne Dokumente und illegal in die USA kamen.

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Der Mann, der diesesProgramm in der Rekordzeit von nur 60 Tagen mitentwickelt und durchgepeitscht hat und deswegen als Architekt und Stratege von DACA gilt, ist Mayorkas. Grund genug für Präsident Obama, ihn 2014 zur Nummer zwei im Heimatschutzministerium zu befördern. Mayorkas ist damit der US-Kubaner, der am höchsten in der Obama-Administration aufgestiegen ist.

Steile Karriere als Jurist

Der Vater von drei Töchtern verkörpert wie kein Zweiter den US-amerikanischen Traum, dass man es mit harten Arbeit ganz nach ganz oben schaffen kann. 1985, mit gerade einmal 26 Jahren, macht er in Los Angeles seinen Doktor in Rechtswissenschaften. Keine vier Jahre später wird er 1989 zum jüngsten Bundesanwalt der USA, der den Bundesstaat Kalifornien in Straf- und Zivilverfahren vertritt.

Schon damals gilt Mayorkas als einer der einflussreichsten Anwälte des Landes, kämpft gegen Geldwäsche, Korruption und Drogenkriminalität. Nur logisch, dass auch Präsidenten auf den ehrgeizigen Juristen aufmerksam werden. Unter Bill Clinton macht Mayorkas ab 1998 Jagd auf die mexikanische Mafia, ehe es ihn für einige Jahre in die Privatwirtschaft verschlägt.

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2008 zählt ihn das National Law Journal zu den 50 einflussreichsten Anwälten von Minderheiten in den USA. Ein besseres Bewerbungsschreiben kann es nicht geben für den Mann, der sich fest vornimmt, die USA zu ändern. Der neue Präsident Barack Obama ernennt Mayorkas zum Direktor der US-Einwanderungsbehörde USCIS, neben dem DACA-Programm ruft er eine Hilfsinitiative für verwaiste Kinder ins Leben, die bei dem Erdbeben 2010 in Haiti ihre Eltern verloren haben.

Zurück in der Heimat Kuba

Zu den vielen beruflichen Höhepunkten kommt für Alejandro Mayorkas 2015 ein emotionaler: im Zuge der historischen Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba unter Obama und Raúl Castro kehrt er für das Heimatschutzministerium zurück in seine Heimatstadt Havanna – eine Reise, die er liebend gerne mit seinem Vater gemacht hätte, der einige Jahre zuvor gestorben war.

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"Als kubanischer US-Amerikaner ist es mir eine große Ehre, die Politik von Präsident Obama voranzutreiben und engere Beziehungen zum kubanischen Volk aufzubauen", sagt Mayorkas, und weiter: "Ich glaube, dass das Engagement für Kuba im Interesse der USA liegt und gleichzeitig das Leben des kubanischen Volkes verbessern wird."

Das Verhältnis zu Kuba wieder zu normalisieren, das durch die harten Sanktionen der Trump-Administration auf den Gefrierpunkt abgekühlt ist, wird eine der Aufgaben für Mayorkas in den nächsten vier Jahren sein. Vor allem aber soll er, wie viele seiner Amtskollegen, erst einmal wieder Ruhe in sein Ministerium bringen. Und das ist Arbeit genug. Oder wie es Joe Biden ausdrückt: "Eine gigantische Aufgabe, nach den vier Jahren Chaos, Durcheinander und absoluter Grausamkeit."

"Qualifizierteste Person im Land"

Ein deutlicher Seitenhieb Bidens auf die Politik der Vorgängerregierung, die nicht davor zurückschreckte, an der Grenze zu Mexiko Familien zu trennen und Kinder in Käfige zu stecken. Noch immer suchen Hunderte Mädchen und Jungen ihre Eltern und andersherum, Alejandro Mayorkas hat den Auftrag, jede einzelne Familie wieder zusammenzuführen.

Mayorkas soll das Gesicht einer neuen US-amerikanischen Einwanderungspolitik sein, die wieder humaner mit Asylsuchenden umgeht: indem sie der Status von elf Millionen Einwanderern ohne Papiere regelt, Abschiebungen für eine Zeit unterbricht und wieder mehr Flüchtlinge ins Land lässt. 2016, im letzten Jahr der Obama- Administration, hatte die USA noch 110.000 aufgenommen, unter Trump war die Zahl auf 15.000 gesunken.

Doch wer glaubt, dass die USA vom Schlachtruf "Baut die Mauer" zum Slogan "Reißt die Mauer ein" umschwenkt, könnte sich täuschen. Das Heimatschutzministerium, das 2001 unter dem Eindruck der Terroranschläge gegründet wurde, soll die US-Bürger vor allem vor Terrorattacken und Kriminalität schützen.

Alejandro Mayorkas muss also den schwierigen Spagat hinbekommen zwischen einer humaneren Einwanderungspolitik einerseits und dem unmissverständlichen Signal, dass die USA ihre Grenze schützen müssen und die nationale Sicherheit weiter oberste Priorität hat. Jeh Johnson, der das Heimatschutzministerium von 2013 bis 2017 leitete, hat keinen Zweifel, dass Mayorkas das schafft: "Er ist die qualifizierteste Person im ganzen Land für diese Herausforderung!"

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